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Ausgrabung Stuttgarter Straße/ Kronenstraße

Blick auf das Grabungsfeld
Funde aus Grab Nr. 7

 

 

Gräber aus der Merowingerzeit bei Ausgrabungen in Münchingen entdeckt.

 

Auf dem Baugelände Ecke Stuttgarter Straße/Kronenstraße, wo derzeit ein Vollsortimenter sowie Wohnungen entstehen, wurden im Oktober und November 2021 von der Firma ArchaeoBW im Auftrag des Bauträgers sowie des Landesdenkmalamtes Baden-Württemberg archäologische Ausgrabungen durchgeführt. Nachdem bereits ganz in der Nähe im Bereich der ehemaligen Ziegelei an der Ziegeleistraße sowie in der Stiegelstraße archäologische Funde gemacht worden waren, lag die Vermutung nahe, dass sich auf dem Baugelände ebenfalls Überreste aus früheren Zeiten im Untergrund erhalten haben könnten. Diese Erwartung wurde jetzt bestätigt: Das Team um Grabungsleiterin Valerie Palmowski konnte im hinteren Bereich des Areals Richtung Jakobstraße insgesamt sieben Gräber mit gut erhaltenen Skeletten aus dem frühen Mittelalter freilegen. Der Friedhof war vermutlich am Übergang der Merowinger- zur Karolingerzeit Mitte des 8. Jahrhunderts n. Chr. entstanden als sich im Bereich des Räuschelbaches entlang der heutigen Stuttgarter Straße eine Vorgängersiedlung des späteren Dorfes Münchingen befand.

 

Am 3. November 2021 hatten der Vorstand sowie einige Mitglieder des Heimatvereins kurz vor dem Abschluss der mehrwöchigen Grabungsarbeiten die Möglichkeit, bei einer Besichtigung der Ausgrabungsstätte aus erster Hand Näheres über die Funde zu erfahren. Eines der Gräber war mit einer Steinplatte bedeckt, die eventuell als Grabstein gedient hatte und später umgefallen ist. Außerdem gab es an einer Stelle eine sogenannte Steinsetzung, eine Art Mauer, mit der das an dieser Stelle abschüssige Gelände befestigt worden war. Die Toten sind mit dem Blick Richtung Osten bestattet worden und hatten keine Gegenstände mit ins Grab gelegt bekommen mit Ausnahme eines Messers oder Dolches, den einer der Verstorbenen bei sich trug. Dies könnte dafür sprechen, dass sich die Toten bereits zum Christentum bekannten. Bestattungen in der Nähe von Kirchen wurden erst später üblich. In der Merowingerzeit lagen die Friedhöfe hingegen außerhalb der Siedlung im Umkreis von ca. 300 bis 500 m. Die merowingerzeitliche Siedlung in Münchingen, von der bereits im Rahmen früherer Grabungen Spuren von Häusern im Bereich der Stiegelstraße gefunden worden waren, war vermutlich Ende des 8. Jahrhunderts nach einer Überschwemmung aufgegeben worden. Leider ist in der Geschichtsforschung insgesamt wenig über die Merowingerzeit bekannt, da es aus dieser Epoche mit Ausnahme von Aufzeichnungen aus Klöstern kaum schriftliche Überlieferungen gibt. Aus diesem Grund sind archäologische Funde, wie sie hier in Münchingen gemacht wurden, umso wertvoller. Weitere detaillierte Informationen stehen nach Veröffentlichung des Grabungsberichtes durch das Landesdenkmalamt Baden-Württemberg zur Verfügung.

 

Bis das Grabungsteam zu den mittelalterlichen Fundschichten vorstieß, die sich in zirka einem Meter Tiefe befanden, brachten sie jede Menge neuzeitliche Fundstücke zu Tage. Rinderknochen und Schädelteile stammten vermutlich von der ab 1920 von Otto Jeutter geführten Kronenmetzgerei. Auch eine Weinflasche sowie kleine Fläschchen und Flakons aus dem 20. Jahrhundert befanden sich auf dem Grabungsgelände und wurden akribisch dokumentiert und aufbewahrt. Vielleicht werden die Archäologen der Zukunft in einigen hundert oder tausend Jahren diese für uns scheinbar banalen Gegenstände wissenschaftlich erforschen.

 

Dr. Sabine Rathgeb

 

Alle Fotos: Martin Schmid

Grabungsleiterin Valerie Palmowski erläutert den interessierten Zuhörern die Erkenntnisse ihrer archäologischen Forschungen
Fundstücke aus neuerer Zeit - Rinderknochen, Flaschen und ein Kamm